Wie man Seeungeheuer besiegt
Am Anfang war das Misstrauen, die Angst vor dem Unbekannten und ehrlicherweise auch die sehr gemütliche Komfortzone.
Wie so ziemlich jeder Mensch, bin auch ich ein riesiger Fan von Sonne, Strand und Meer. Schwimmen und in den Wellen toben gehören natürlich dazu. Aber immer mit großem Vorbehalt, sofern nicht zu sehen ist, was sich unter einem befindet. Also im trüben See schwimmen oder nachts in die salzigen Fluten hüpfen ging überhaupt nicht. Man weiß ja nie, was da alles auf einen lauert – Zombies, Seeungeheuer, schleimige Monster… Ja, ich weiß. Alles völlig irrational und Ergebnis einer blühenden Phantasie. Ich bin doch tatsächlich mal aus dem Meer geflüchtet, weil ich den Schatten eines riesigen Fischs (also, so ca. 40 cm) in einer Welle gesehen hatte.
Dann kam der erste Urlaub an einem Strand mit Korallenriff. Mit einem tollen langen Steg über das Riffdach und einer Leiter ins Wasser an der Riffkante. Ganz mutig bin ich mit Schnorchel und Maske ins Wasser gehüpft. Also nein, eher ganz vorsichtig und mit Flossen an den Füßen rein geklettert. Aber dann hat sich mir eine ganz neue Welt aufgetan. Überall Fische und die Sonnenstrahlen schimmerten auf den Korallen. Die ganzen Vorbehalte haben sich in Wasser aufgelöst und am liebsten wäre ich noch stundenlang durch die zauberhafte Unterwasserlandschaft gepaddelt.
Leider hat es meinen Mann in diesem Urlaub mit einer fiesen Grippe ausgeknockt und wir mussten frühzeitig die Heimreise antreten. Allerdings mit einem ganz neuen Plan im Gepäck. Wieder zu Hause haben wir uns nur wenig später für einen gemeinsamen Tauchkurs angemeldet. Für ihn war es ein lange gehegter Jugendtraum und endlich konnten wir uns das auch finanziell leisten.
Mit unserer Tauchlehrerin hätten wir es nicht besser treffen können. Mit viel Erfahrung und riesigem Spaß hat sie uns zu guten, verantwortungsvollen Tauchern erzogen.
Wir haben unseren ersten Tauchgang nicht in einem schönen blauen Meer mit endlosen Sichtweiten sondern in einem trüben, kalten See in Süddeutschland gemacht. Danach kann einen nichts mehr schrecken! Tarieren ist im Süßwasser eine größere Schwierigkeit. Die Kälte und die oft schlechte Sicht können ebenfalls herausfordernd sein. Man muss sich schon manchmal überwinden. Und wird dann auch noch von einem neugierigen Wels zu Tode erschreckt.
Nach dem ersten Freiwassertauchgang (also im See und nicht Übungspool) wusste ich sofort, dass ich nur mit Trockentauchanzug langfristig glücklich werde. Damit war aber ebenfalls klar, dass das mit dem Tauchen nicht nur eine kurze Affäre sein würde.
Mit dem allgemeinen OWD (Open Water Diver) Tauchschein ist nur der Grundstein gelegt. Man kann dann zwar schon ein bisschen durchs Wasser blubbern, darf aber nur auf 18 Meter Tiefe und hat auch sonst noch nicht viel Erfahrung.
Wir haben also noch einige Kurze gemacht und fleißig Tauchgänge in den hiesigen Seen absolviert. Sehr nett war es etwa beim Tieftauchkurs in 40 m Tiefe und 4°C im Bodensee. Dabei haben wir uns gerade am Anfang gerne erfahrenen Tauchern angeschlossen und so noch eine Menge dazugelernt. Zum Beispiel auch, dass ein guter Taucher niemals den Boden berührt und damit Sediment aufwirbelt. Wer einem das Gegenteil erzählt, hat leider keine Ahnung von anständiger Tarierung und sollte es einfach bleiben lassen. Dank solcher talentbefreiten Vollpfosten ist die Sicht nach einem langen Wochenende selbst im klarsten See verdorben.
Ich will an dieser Stelle nicht jammern. Vielleicht erzähle ich mal an anderer Stelle von den amüsanten und bisweilen befremdlichen Erlebnissen unterhalb der Wasseroberfläche.
Auf jeden Fall verbindet so ein gemeinsames Hobby und sorgt für endlosen Gesprächsstoff.
Einen weiteren, unerwarteten Nebeneffekt hatte das ganze auch noch. Ich habe mir durch das Tauchen nicht nur eine neue Welt erschlossen sonder ganz nebenbei auch noch eine riesige Ladung Mut und Selbstvertrauen aufgebaut.
Nicht umsonst heißt es, dass man immer wieder Neues wagen soll, die eigenen Grenzen neu abstecken muss um sich persönlich weiterzuentwickeln. Wenn man immer wieder neue Herausforderungen bewältigt, wird es irgendwann einfacher. Man trainiert sozusagen einen Mutmuskel und wagt dann auch in anderen Lebensbereichen mehr. Auch beruflich habe ich mir mehr zugetraut und mich dadurch stetig weiterentwickelt.
Damit ist der Drang, ständig etwas Neues auszuprobieren und sich neues Wissen anzueignen definitiv etwas Positives. Lass dich als „multiinteressierte Persönlichkeit“ also nicht verunsichern, falls du dich mal wieder kaum entscheiden kannst, welches Projekt du als nächstes angehst. Nur wenn es dir selbst zu viel wird, kann es sich lohnen, mal einen Gang runter zu schalten. Wenn ich zwischendurch mal eine Pause brauche, verschwinde ich einfach eine Zeitlang auf der Couch zwischen zwei Buchdeckeln. Aber irgendwann packt einen wieder die Abenteuerlust und dann taucht man ab ins Meer, einen tiefen See oder ein neues Hobby.