Hast du mal ’nen Euro?
Das Jahr neigt sich dem Ende und zu kaum einer Zeit sitzt der Geldbeutel so locker, wie jetzt. Die Menschen zeigen sich von ihrer großzügigen Seite und das weckt allerlei Begehrlichkeiten. Von dem großen Kuchen möchten viele etwas abhaben – nicht alle haben dabei Gutes im Sinn.
Und so fühle ich mich etwas zwiegespalten zu dem Thema der aktuellen Blogparade #relevant – „Hast du mal ’nen Euro?“.
Generell gebe ich gerne. Doch so manche Negativschlagzeile könnte einem das verleiden. Da ist von organisierten Bettel-Banden die Rede und von fiesen Tricks, um gutgläubigen Menschen das Geld aus der Tasche zu ziehen, teilweise im wahrsten Wortsinn. Ich muss zugeben, wenn in der Innenstadt in strategischer Nähe zum örtlichen Weihnachtsmarkt gleich drei Bettler in wenigen Metern Abstand voneinander knien, macht mich das schon sehr skeptisch. Wenn dann auch noch alle aussehen, als wären sie eng miteinander verbandelt und vom selben „Verein“, kommt irgendwie so gar kein Mitgefühl auf.
In der Stadt, in der ich aufgewachsen bin, gab es diesen einen Bettler – da hieß es noch „Hast du mal ’ne Mark?“. Ein großer, bärtiger Riese, der sommers wie winters im langen braunen Mantel an seinem Stammplatz stand. Unter Mitschülern tuschelte man, dass er am Ende des Tages in ein schickes Auto steigen würde und in Wirklichkeit stinkreich wäre. Ob da was dran war, habe ich nie herausgefunden. Aber der Argwohn ist bis heute geblieben.
Irgendwie ist man vielleicht abgestumpft oder zu misstrauisch oder eben zu aufgeklärt. Aber so oder so will man Menschen doch nicht in einen Topf werfen. Gar nicht so einfach mit der Hilfe… Oft erfolgt der Griff in den Geldbeutel aus dem Bauch heraus. Ich kann gar nicht so genau sagen, woran ich es festmache, wenn ich jemandem etwas gebe. Die Trott-war-Verkäufer bekommen oft etwas – auch wenn ich die Zeitschrift nicht lese, finde ich es unterstützenswert, wenn jemand darüber versucht, wieder einen Fuß in die Tür zu bekommen. Was ich aber sehr genau sagen kann ist, dass diese kleinen Gaben im Dezember nicht größer oder kleiner ausfallen, als im restlichen Jahr.
Ganz anders verhält es sich hingegen mit der von mir präferierten Organisation, an die ich seit Jahren spende. Neben den monatlichen Fixbeträgen überweise ich, ganz Spenden-Herdentier, immer im Dezember nochmal einen zusätzlichen Betrag, abhängig davon, was der Kontostand gerade zulässt.
Es ist ein bisschen einfacher geworden. Dank Internet kann jeder schnell herausfinden, welche Hilfsorganisationen seriös sind. Und es ist ein bisschen schwerer geworden. Dank Internet kann jeder schnell herausfinden, an wie vielen Stellen dringend Spenden benötigt werden.
Jetzt könnte ich natürlich meine Spenden auf ganz viele Organisationen aufteilen. Und hätte damit voll am Ziel vorbei geschossen. Denn mit jeder Spende löse ich einen ganzen Haufen administrativer Vorgänge aus bis hin zur Registrierung als potenzieller Wiederholungstäter, der zukünftig mit Aufwand (ergo Geld) bespaßt und zu neuen Spenden bewogen werden möchte. Also zumindest aus Sicht vieler Organisationen.
Effizienter und effektiver ist es also, sich einige wenige Herzensthemen herauszupicken und bei diesen zu bleiben. Für mich ist das nicht schwer – ich liebe das Meer und spende daher schon lange an Sea Shepherd. Wenn ich schon selbst nicht sehr seefest bin, unterstütze ich gerne die, die mit ihrem Einsatz direkt vor Ort etwas bewirken, for the Ocean. Der örtliche Tierschutz bekommt noch seinen Anteil, ein Dankeschön geht an Wikipedia und das war es dann.
Wer an der Haustür klingelt, ist unten durch. Da lasse ich mich auch auf keinerlei Gespräche ein und ein schlechtes Gewissen lasse ich mir erst recht nicht einreden. Momentan sind wieder ein paar ganz Hartgesottene unterwegs, da bin ich froh um die Kamera an der Klingel. Die, die mit mir über Gott reden möchten, kenne ich bereits. Sollte mir mal langweilig sein, mache ich mir vielleicht mal einen Spaß draus. Ansonsten kann ich mich ganz wunderbar taub stellen und sowieso scheint die Klingel schon wieder defekt zu sein…

