Zombiestudien – Todgesagte leben länger
Manchmal stolpere ich über Begriffe, die ich einfach wunderbar treffend finde. Der Barfußhistoriker ist so einer. Dabei handelt es sich laut Definition um einen „nicht wissenschaftlich ausgebildeten Hobbyhistoriker“, zum Beispiel Menschen, die auf ehrenamtlicher Basis die Geschichte ihres Heimatortes recherchieren und dokumentieren.
Vor Kurzem habe ich dann über Zombiestudien gelesen. Noch so ein schönes Wort. Das sind sogenannte Wanderlegenden der Wissenschaft – Studien, die längst widerlegt sind, deren Thesen sich aber hartnäckig in den Köpfen halten.
Alle, die in ihrer Kindheit mit Bergen von Spinat gefüttert wurden, können ein Lied davon singen. Laut einer alten Studie enthält das Gemüse zehnmal mehr Eisen als andere Sorten. Der Mythos des ach so eisenhaltigen Grünzeugs hielt sich tapfer über Jahre. Selbst nachdem der wohl zugrunde liegende Kommafehler längst aufgeklärt war, blieb Popeyes Kraftfutter fürs Babybrei-Gläschen beliebt. Allerdings zählt die größte Zielgruppe wohl nicht zu den größten Fans.
Werden die Ergebnisse einer Studie widerlegt, wird diese zurückgezogen. Das kann aber dauern und so bleibt viel Zeit für die vermeintlichen Fakten, um sich in den Gehirnen der Menschen einzunisten.
Im Schnitt vergehen 1045 Tage, also beinahe drei Jahre, zwischen der Veröffentlichung und der Rücknahme eines Artikels. In Extremfällen kann dieser Zeitraum noch weit größer ausfallen und mehrere Jahrzehnte umfassen.
Zombie-Paper – wenn zurueckgezogene Studien weiter spuken
Doch nicht nur Zombie-Papers sind schuld an Falschinformationen, die sich auf alle Ewigkeit als alternative Wahrheiten einbrennen. Dem grauenhaften Massenselbstmord der Lemminge liegt doch tatsächlich eine sensationsheischende Lüge direkt aus der heilen Disney-Welt zugrunde. Für einen spektakulären Dokumentarfilm haben die Tierfilmer skrupellos nachgeholfen – da bleibt einem doch glatt die Spucke weg!
Fake News sind also keineswegs eine neuzeitliche Erfindung. Im Gegenteil, schon seit jeher sind Klatsch und Tratsch nicht wegzudenken. Medienkompetenz hat man schon bei den Nachbarn, denen nichts entgeht, benötigt – die Medien waren halt andere. Bei den Großeltern saß die Dame von nebenan von früh bis spät am Fenster, keiner kam ungesehen und ohne ein kurzes Update an ihr vorbei. So ein Schwätzchen ist ja auch sozialer Klebstoff und völlig legitim, solange es inhaltlich nicht auf Kosten anderer geht.
Wie bei der stillen Post, die wir als Kinder so lustig fanden, verändern sich aber auch weitererzählte Geschichten und entfernen sich womöglich immer mehr von ihrem Ursprung. Wenn dann die Kollegin von einem Verwandten einer Freundin ihrer Großnichte erzählt, lässt sich der Wahrheitsgehalt eher selten einwandfrei belegen. Daher ist man besser vorsichtig und hinterfragt die Dinge, statt leichtgläubig alles zu akzeptieren, was einem da zum Fressen vorgeworfen wird. Das gilt heute mehr denn je.
Ich lasse mir privat wie beruflich ja durchaus von einem KI-Tool helfen. Allerdings muss man gerade hier ganz genau hinterfragen, was einem da serviert wird. Lasse ich mir mit ein paar Zeilen Code unter die Arme greifen, merke ich gleich, wenn der nicht passt. Bei der Rechtschreibprüfung ist die Unterstützung ebenfalls hilfreich. Wenn es aber um Recherche geht, bin ich sehr skeptisch. Was einem da alles erzählt wird, ist nämlich keineswegs „nichts als die Wahrheit“.
Und so habe ich ein KI-Tool durchaus schon beim dreisten Lügen erwischt. Wenn man nämlich nach der Quelle fragt, wird ziemlich schnell klar, ob die Angaben Hand und Fuß haben. Und ob diese dann schon so abgefault, wie bei einem Zombie sind. Als ich beharrlich nach einer angeblichen Studie gefragt habe, die die KI da so leichtfertig zitiert hatte, hieß es plötzlich, das wäre wohl ein Missverständnis, diese Studie gäbe es doch nicht. Ertappt!
Die Menge an Falschinformationen nimmt leider stetig zu. Ich versuche ja, alles, was ich so schreibe, mit Fakten und Quellen zu unterfüttern und belegen. Doch auch bei der besten Recherche wird sich ein Griff ins faktische Klo nicht vermeiden lassen. Deswegen erhebe ich auch mit meinen Texten keinen Anspruch auf die Wahrheit und hoffe, dass mich im Fall der Fälle ein nachsichtiger Kommentar eines Besseren belehrt. Denn ich lerne nie aus!
Ja, die Erfahrung habe ich auch schon gemacht. Man kann die Aussage der KI allerdings ja mit einer andern gegenchecken, beispielsweise mit Google NotebookLM. Ein Grundsatz im Journalismus heißt: Immer zwei voneinander unabhängige Quellen checken, vor dem „Griff ins Klo“ schützt das aber auch nicht immer:-)
Oh ja da hast Du recht. Am schlimmsten war ja für mich die Spinatsache. 😅 Auf keinen Fall kann man heute nicht glauben was man sieht, wenn man nicht dabei war.😁
Unterhaltsamer Post ist das. Danke Vanessa. Liebe Grüße Tina