Es dauert, solange es dauert!
Aufwandsabschätzungen gehören in meinem Job zum Alltag. Meine wichtigsten Werkzeuge dafür? Glaskugel und Würfel! Denn wie der Begriff schon erahnen lässt, handelt es sich hier um eine Schätzung und nur in den seltensten Fällen trifft die ursprüngliche Annahme zu einhundert Prozent ins Schwarze. Was manchen Kollegen nicht davon abhält, einen genau auf diese Zahl festzunageln.
Der Anspruch ist also, die benötigte Zeit für ein Projekt bei allen Unwägbarkeiten doch einigermaßen genau abzuschätzen. Dabei kann eine Abweichung von 20-30% je nach Projektgrößenordnung schon als Erfolg gewertet werden, zumal wir zu Beginn eines Projektes oft nur ein sehr grobes Bild davon haben, was denn eigentlich entwickelt werden soll.

Mit der Erfahrung werden auch die abgegebenen Zahlen immer genauer. Man hat vielleicht schon mal ein ähnliches Projekt gemacht oder man weiß, dass bestimmte Prozesse und Abläufe im Unternehmen immer einem festen Schema in einer vorgegebenen Zeit folgen. Natürlich liegt man auch mal daneben, zum Beispiel weil sich zwischendurch die Vorgaben und Anforderungen an das Endprodukt ändern oder unerwartete Probleme auftauchen. Wobei wir ja in dem Fall von „Herausforderungen“ reden sollen – ein anderes Thema.
Wenn man sich also tagtäglich (ok, das ist übertrieben) mit diesem Thema beschäftigt, entwickelt man so etwas wie eine unbewusste Erwartungshaltung, dass auch andere Menschen mit einem ähnlichen Erfahrungsschatz aber in anderen Branchen sich ähnlich intensiv mit ihren zeitlichen Versprechen auseinandersetzen und zumindest halbwegs belastbare Aussagen tätigen. Ich weiß, Anfängerfehler!
Wenn mir also ein Handwerker verspricht, etwas in einer bestimmten Zeit zu erledigen, rechne ich schon damit, dass sich diese Zeit immer verdoppelt. Der Lieblingsmann findet das pessimistisch – nur leider behalte ich öfter Recht, als mir lieb ist. Der Lieblingsmann hat aber auch schon feststellen müssen, dass man ein großes Zimmer nicht in zwei Stunden streicht. Liegt aber in der Familie. Mein Schwager plant für seine Wohnung einen Tag ein. Wenn er das wie Mr. Bean macht, könnte es womöglich sogar klappen.
Ich bin da nicht so optimistisch. Breche ich die Arbeit nämlich runter in ihre Einzelteile, fehlen mir wichtige Teilaufgaben. Fangen wir mit der allerschlimmsten Strafarbeit an – dem Abkleben. Das ist für mich der nervigste Teil beim Streichen. Lieber wasche ich hinterher das Werkzeug. Und ums Putzen kommt man in der Regel auch nicht herum – egal wie gut man aufpasst. Und ganz am Ende muss auch ich noch geputzt werden.
Ich streiche ja am liebsten im Sommer, da reicht ein altes T-Shirt als Malerkleidung. Die ausgemusterte Sporthose, die ich sonst zum Streichen trage, ist schon total ausgeleiert. Auf dem Hintern prangt sehr markant die weiße Hand Sarumans. Zugegeben, ich hab das womöglich provoziert. Das ist auch so ein Thema, dass eventuell dazu beiträgt, dass die Zeitabschätzungen nicht immer so richtig hinhauen.
Wenn ich also weiß, wie das Team (in dem Fall mein Mann und ich) so arbeiten und welche Teilaufgaben zu erledigen sind, kann ich schon eine ganz valide Angabe zur voraussichtlichen Dauer machen. Warum Handwerker das nicht hinbekommen, wird mir auf ewig ein Rätsel sein.
Man könnte ja jetzt einwerfen, dass hier vielleicht das Parkinsonsche Gesetz wirkt. Das besagt, dass eine Arbeit sich stets auf die Dauer der dafür geplanten Zeit ausdehnt. Heißt, wenn ich mir zum Streichen der Wohnung drei Wochen Zeit nehme, dauert es am Ende auch drei Wochen.
Tatsächlich erlebe ich äußerst selten, dass eine Aufgabe weniger Zeit als geplant benötigt. Ich wäre ja schon glücklich, wenn Projekte bei der Arbeit zumindest mal pünktlich abgeschlossen würden. Und da es den Projektleitern ähnlich geht, planen die immer noch einen Puffer mit ein. Das bekommt das Team natürlich immer irgendwann mit und rechnet diesen Puffer dann eben einfach auf die Fristen mit drauf – es dauert also wieder mindestens so lange, wie Zeit dafür veranschlagt wurde. Und weil einfach immer etwas Unvorhergesehenes passiert (ist ein Naturgesetz, könnt ihr mir glauben), dauert es auch immer noch ein bisschen länger. Also plant man noch mehr Puffer ein… und schon stecken wir mitten im Teufelskreis.
Am Ende muss ein Projekt ja immer auch wirtschaftlich sein. Und auch, wenn ich als Entwickler immer noch etwas finde, dass ich optimieren kann, will ich irgendwann ja auch mal wieder ein neues Projekt starten. Aufwandsabschätzungen sind also auch immer ein bisschen Verhandlungssache. Während sich Projektleiter und Entwickler lieber extra warm einpacken und zur Sicherheit noch ein paar Prozent oben drauf packen, muss das Produkt auch irgendwann Geld reinwirtschaften. So geht es auch dem Handwerker, der sich mit einem attraktiven Angebot gegen seine Konkurrenz durchsetzen muss. Wenn das einen Festpreis beinhaltet, bin ich als Kunde schon etwas entspannter. Denn auch, wenn da Stundenpreise drinstehen und es ja dann vielleicht schneller gehen könnte (ja ja, du mich auch!) – darauf fall ich nicht rein. Es dauert immer, so lange es dauert!
Da fällt mir die Szene in der Serie Raumschiff Enterprise ein.
Kirk: Wie lange brauchst du für die Reparatur des Warp Reaktors?
Scotty: Circa 8 Stunden
Kirk: Ich geb dir 4
Scotty: Okay, Chef ich machs in 2!
Auf die Frage an den Chefingenieur, warum er die Dauer immer so hoch ansetzt und dann doch schneller fertig ist, antwortet Scotty: „Weil ich meinen Ruf als Genie festigen muss.“
Dein Mann ist übrigens keine Ausnahme bei der Kalkulation, wir Männer rechnen unproduktive Arbeiten nicht mit ein. Das Abkleben ist also nicht mit einkalkuliert 🙂
Das mit den unproduktiven Arbeiten erklärt einiges 😄. Und widerspricht der Festigung des Ruf als Genie. Dafür kann ich hinterher immer sagen, dass ich ja Recht hatte. So macht man sich als beste Ehefrau der Welt so richtig beliebt 😉.
Frei nach dem Motto: Freier Zeitraum will gefüllt sein? Bei unserer Hausrenovierung lagen wir mit allem außer dem Parkettverlegen im Wohnzimmer exakt im Zeitplan des Projekts. Das hat drei Tage anstatt einen gedauert. War aber nicht schlimm. Allerdings hatten wir kaum Pufferzeiten, weil es die einfach nicht gab. Passt zu Deiner These, dass es dann im engen Rahmen klappt. Mich machen endlose Verzögerung bei Arbeiten wahnsinnig. Schrankraum muss ich übrigens nicht füllen, dort darf es Leerräume geben.
Einen schönen Abend wünscht Dir
Ines
Verzögerungen wären ja meist gar nicht nötig, wenn einfach alles nach Plan laufen würde. Tut es nur leider nie. Jetzt kann ich einfach Puffer einrechnen (der dann immer auch gebraucht wird) oder sämtliche Risiken ignorieren. Dann kommt man am Ende wahrscheinlich auf dasselbe hinaus, ist aber bei ersterer Variante deutlich entspannter. Was Renovierungen angeht bin ich aber echt durch. Das Leben auf einer Baustelle kann gar nicht kurz genug sein!
Liebe Grüße
Vanessa
Die akademische Viertelstunde gibt es eben überall. Wenn es mal nur bei einer Viertelstunde bleiben würde….
Bei Handwerker-Arbeiten mache ich auch lieber einen Festpreis aus. Wenn es dann sehr schnell geht – so what. Behält der Handwerker mich eben in guter Erinnerung.
Und was die Renovierungen von eigener Hand angeht – da haben wir ja in letzter Zeit wieder reichlich Erfahrung gesammelt. Das hat auch alles viel länger gedauert, als vorher gedacht. Vor allem aber auch, weil man dabei irgendwie immer vom Höcksken aufs Stöcksken kommt. Wenn man schon mal dabei ist, dann könnte man ja noch auch direkt dieses und ganz schnell noch eben jenes…
Und was für Unmengen Putzerei dabei anfallen – das unterschätze zumindest ich jedes Mal.
Liebe Grüße in eine hoffentlich nicht allzu stressige Woche mit einhaltbaren Terminen
Britta
Oh ja, wenn man einmal irgendwo angefangen hat… Ich weiß noch, wie mein Mann in der alten Wohnung die Elektroleitungen erneuert hat – am Ende war wirklich in jedem Raum Baustelle und ich saß abends mit Kopflampe am Schreibtisch. Im Badezimmer waren drei Schichten Fliesen übereinander verlegt, das war auch ein Spaß. Und unter der betagten Wandpaneele kam eine schicke 70er-Jahre Tapete zum Vorschein, Augenkrebs vom Feinsten 😄. Und kaum ist man fertig, springt einem die nächste Baustelle ins Auge. Dachte ja, das wird im neuen Haus besser aber jetzt haben wir einen Garten…
Liebe Grüße
Vanessa
Bei Renovierungsarbeiten, die selbst ausgeführt werden, bin ich in unserem Haus nur verhalten optimistisch. Hier ist wirklich alles schief und krumm und man weiß nie, was einen erwartet. Insofern wundert mich dann gar nichts mehr. Nervig ist es allemal.
Wenn man Handwerker benötigt kann man froh sein, dass man überhaupt welche bekommt. Auf die Bad-Renovierung mussten wir ein Jahr warten. Gut, dass wir einen Festpreis hatten. Das ging dann schneller als erwartet.
Liebe Grüße
Sabine
Beruflich gesehen kommt mir das bekannt vor. Der Mann klagt auch immer darüber, dass von ihm ein Ergebnis am besten in zwei Tagen erwartet wird, er aber von den Vorgängen alleine her schon ein ganz anderes Zeitfenster nennen muss.
Thema Streichen… es hängt wirklich davon ab, mit wem man das macht *lach*. ich kann mit Ehrgeiz einen ganzen Tag durcharbeiten und mich am Abend über ein Ergebnis freuen. Der Mann braucht alleine zum Abkleben der Kanten schon doppelt so lange *lach*. Also streiche ich und der muss mir mit den Möbeln helfen.
den mr.bean sketch kenne ich – superlustig 😀
dass männer immer die vor- und nacharbeiten und das aufräumen vergessen einzuplanen, ist ja nix neues…. da bleibt dann schonmal der rasenmäher über nacht draussen stehen…. nur regnet´s dann ausgerecht wie aus badewannen und das gute stück ist abgesoffen am näxten morgen.
aber glücklicherweise brauchen wir ausser elektriker (gefährlich) und dachdecker (zu anstrengend) keine handwerker – als „gelernte ddr-bürger“ können wir beide so ziemlich alles, was am haus anfällt, oft sogar besser als manch unmotivierter „dienstleister“……
arbeits/erwerbstechnisch sag ich nur: BRAUTKLEID! da kannste nicht „schätzen“, das ding muss spätestens einen tag vor der trauung fix&fertig sein und perfekt passen. von bühnenkleidern/kostümen nicht zu reden – eine halbe stunde nach der premiere ist einfach zu spät 😀
xxx
Oh ja, die Bauleute (oder auch die Handwerker)! Erst kommen sie nicht, dann latschen sie einem die Bude dreckig und dann schumpern sie 🙄😅
Wir haben uns vor ein paar Jahren zum ersten Mal wirklich mal einen Maler gegönnt. Für´s Treppenhaus, weil man da so schwer oben an die Wände kommt. Wir hatten genau besprochen, was wir wollen und was wir nicht wollen. Preis nach Stunden zu bezahlen. Zur Mittagspause hatte er 1/4 der Arbeit schon geschafft. 😮 Beim genauen Hinsehen war es eine Schlamperei ohne Gleichen. Als er um 14 Uhr von seiner Mittagspause wieder kam, durfte er seine Sachen packen und gehen. Die Stunden und das Material haben wir ihm bezahlt.
Am Ende habe ich es wieder allein gemacht – so wie wir es wollten.
Handwerk hat goldenen …. 🤔
PS: Ich habe auf dem Bau gelernt . Oh, oh! 😅