Minimalismus

Der ultimative Minimalismus-Guide für Simulanten

Das es ganz einfach ist, sich selbst etwas vorzumachen, ist ja keine weltbewegend neue Erkenntnis. Und umso undefinierter die Vorgaben, umso einfacher. Gerade bei manchen Trends gibt es einerseits diejenigen, die mangels irgendwelcher Regeln und Leitlinien einfach ins Extreme gehen und andererseits die, die sich quasi die Rosinen aus dem Thema für sich herauspicken.

Letzteres ist wahrscheinlich klüger, ersteres dafür umso lustiger – ohne Humor ist vieles im Leben einfach nicht zu ertragen. Wärmen wir also mal den Minimalismus-Trend wieder auf (oder ist das noch „hipp“? – ich hab keine Ahnung).

Achtung, ich halte zur Sicherheit mal mein „Sarkasmus-Schild“ hoch. Hier kommt der ultimative Guide, wie ihr euch als Vorzeige-Minimalist verkaufen könnt:

100 Dinge sind noch zu viel, oder „Der Wir-unterbieten-uns-Wettbewerb“

Da gibt es die wohlhabende Hardcore-Fraktion – Ich habe nichts, ich brauche nichts. Aber statt eine eigenen Wohnung zu mieten, parasitiert man dann bei Freunden und Bekannten oder tingelt durch Hotels, natürlich beruflich bedingt. Und wer braucht schon eine Küche samt überquellender Küchenschränke, wenn man stattdessen einfach ins Restaurant gehen kann. Oder sich etwas beim Imbiss holt, natürlich schön in Einwegverpackung, damit man ja kein eigenes Geschirr horten muss.

Vernunftbegabte Menschen werden jetzt womöglich mit den Augen rollen. Doch keine Sorge, Rettung naht! Egal ob Familie mit Kind und Kegel oder passionierter Sammler – mit ein paar einfachen Tricks kann jeder mit einem augenscheinlich minimalistischen Zuhause glänzen.

Denn es ist so einfach, als Vorzeigeminimalist anzugeben und jedem, der es hören will (und allen anderen auch) ein schlechtes Gewissen einzureden, weil das doch alle arme Konsumopfer sind.

Was das Thema „mehr Schein als Sein“ angeht, bin ich ein echter Profi. Gäste finden es bei uns immer extrem ordentlich und sauber, da sie ja quasi lediglich das oberflächliche Erscheinungsbild wahrnehmen. Es steht tatsächlich nicht viel herum, da alles seinen Platz hat. Das ist allerdings auch keine Kunst, wenn man mehr Schrankfläche als zu verstauende Gegenstände hat.

Wir haben zugegebenermaßen nicht einmal ein besonders ausgeklügeltes System für unsere Küchenschränke. Die Sachen wurden eher intuitiv eingeräumt und seit dem Einzug vor einem Jahr wollen wir das eigentlich optimieren. An die oberen Schrankfächer komme ich eh nur mit Trittleiter ran. Da ich von Natur aus faul bin, bin ich meist auch zu faul, die Leiter zu holen. Also kann ich da auch nicht viel rein tun, Thema erledigt! Jetzt könnte ich angeben, dass ich sogar leere Fächer habe.

Sollte, wie hier, ein großgewachsener Mitbewohner mit euch im Haushalt leben, geht diese Rechnung natürlich nicht mehr auf. Ich meine mich zu erinnern, dass zwischenzeitlich ein paar Gegenstände eine Etage höher gewandert sind. Vielleicht sollte ich doch mal die Leiter holen?!

Aus den Augen, aus dem Sinn

Einen kleinen, alten Schrank mit fehlender Türe haben wir kurzerhand zum Regal mit Körben umfunktioniert. Da verschwindet optisch einiges an Unordnung – die Kabelkiste, Putzmittel, anderes technisches Zubehör. Der Erfinder von „Korb in Regel“ sollte einen Ordnungs-Nobelpreis erhalten! Nützlich ist natürlich auch ein Kleiderschrank in wohnlichen Dimensionen. Da finden neben Kleidern dann auch allerhand andere Dinge einen Platz. Wir lagern da beispielsweise (natüüüürlich! nur aus praktischen Gründen) auch Getränkekisten.

Und für größere Gegenstände gibt’s ja immer noch den Keller. Ich passe zwar auf, wie ein Luchs, was der Hausherr da alles runter trägt. Schließlich kennt man die Horrorbilder zugestellter Kellerabteile, bei denen man oft nicht einmal mehr weiß, was dort alles lagert. Andererseits reicht es für den simulierenden Minimalisten ja völlig aus, wenn der Keller eine gut abschließbare Tür besitzt. Die sollte man nur sehr vorsichtig öffnen, wenn man alten Krempel hier entsorgen will (und diesen mit möglichst viel Schwung auf den Monte Scherbelino verfrachten).

Kinder leben hier ja keine ABER, wenn man wissen will, wie man Kinder erzieht, muss man nur jemanden fragen, der keine hat. Also hier mein absoluter Geheimtipp: das Kinderzimmer ist wie der Keller zu behandeln. Einfach alles reinwerfen (die Kinder am besten gleich mit, dann aber bitte nicht mit so viel Schwung) und dann ein „Zutritt verboten“ Schild an die Tür. Gäste müssen da ja nicht rein…

Hat man alles verstaut, ist auch wieder Platz für schicke Neuanschaffungen. Dabei sollte der erfahrene Simulant allerdings darauf achten, keine ausufernden Shopping-Touren mit anderen zu unternehmen. Sollte man doch mal in die Verlegenheit geraten, mit „den Mädels“ bummeln zu gehen und an etwas Hübsches ran laufen, kann natürlich trotzdem als vorbildlicher Minimalist glänzen. Hier bietet Online-Shopping eine wunderbare Möglichkeit, unauffällig über die Stränge zu schlagen. Das Objekt der Begierde ordert man einfach im Nachgang, am besten gleich in verschiedenen farblichen Ausführungen und Größen – man weiß ja nie und zur Not gibt’s ja Retoure.

Und damit die Nachbarn keinen Verdacht schöpfen, lässt man sich die unzähligen Pakete am besten an eine der komfortablen Packstationen schicken. Aber Obacht, hier könnte ein Übermaß an Retouren womöglich noch auffallen. Der Vollprofi probiert also im Laden an – natürlich nur zum Spaß, gekauft wird nix! – und bestellt dann hinterher genau die passende Größe. Die Verkäufer in den Läden danken es einem, müssen sie doch weniger Regale auffüllen.

Und hier nochmal zusammengefasst die drei goldenen Regeln für den minimalistischen Heiligenschein:

So, ich mach mich jetzt lieber mal ans Staub wischen, geht ja zum Glück schnell. Wir bekommen nämlich Besuch und der soll ruhig weiter glauben, dass wir unser Leben im Griff haben.

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