Finanzen Haus und Garten

Wohnst du noch…?

Wer keine Miete zahlt, fliegt raus. Also zumindest bei uns zu Hause. Das heißt, dass alles, was mehr als zwei Beine hat, wieder vor die Türe gesetzt wird. Und auch, wenn ich nicht wirklich an Karma glaube (aber die Idee schön finde), findet sich der ungebetene Besuch zwar unfreiwillig, aber doch unversehrt im Garten wieder.

Dabei hätten wir genug Wohnraum, es ist geradezu luftig hier. Zumindest im Vergleich zu den engen Röhren in den Insektenhotels. Angesichts des akuten Mangels an bezahlbarem Wohnraum wäre manch einer womöglich schon eine ähnlich kleine Behausung heilfroh. In vielen Städten gehen Grundstücks- wie Mietpreise durch die Decke und wer nicht raus aufs Land will oder kann, konkurriert mit vielen anderen um wenige Ressourcen.

Ja, mein Mann und ich wohnen gerne am A… Ende der Welt. Es ist ein für uns funktionierender Kompromiss aus suboptimaler Verkehrsanbindung und bezahlbarem Grund und Boden. Die Nähe zum Wald hätte es auch näher an der Großstadt gegeben. Freundeskreis, Familie, kulturelle Aktivitäten sind weiter weggerückt. Man muss mehr planen und bei den Tickets für den Nahverkehr schlackern mir die Ohren – bei zwei Personen ist das Auto oft günstiger, wenn man nicht in ein innerstädtisches Parkhaus möchte. Hätte man mich aber mit Anfang 20 gefragt, ob ich so wohnen wollte, ich hätte demjenigen einen Vogel gezeigt. Denselben Vogel bekommt hingegen heute derjenige gezeigt, der mich fragt, ob ich wieder freiwillig in eine WG ziehen würde…

Apropos Vogel – während wir hierzulande die Käfighaltung am liebsten ganz und gar verbieten würden, ist man anderswo sogar froh um wenige Quadratzentimeter halbwegs sicheren persönlichen Raumes. Die sogenannten Käfigmenschen der Sieben-Millionen-Einwohner Stadt Hongkong können über die Diskussionen hierzulande wohl höchstens müde lächeln. Die Stadt, in der beeindruckende 40 % der Fläche unter Naturschutz stehen und ein Großteil der Hügellandschaft nicht bebaubar ist, leidet an akuter Platznot.

Über 100.000 teilen sich hier einen Quadratkilometer Fläche zum Wohnen – in Deutschland sind es durchschnittlich 226 Menschen.

Wohnungsnot in Hongkong – Leben wie in Käfighaltung

Jeder neue Quadratmeter Bauland bedeutet auch hier ein Quadratmeter weniger potenzielle Fläche für Natur. Andererseits ist Baufläche heiß begehrt und wird teilweise nur durch strenge Vergaberichtlinien zugewiesen. Den Zuschlag bekommen verständlicherweise Familien mit vielen Kindern – oder viel Geld. Selbst Grundstücke mit abrissreifen Gebäuden sind erstaunlicherweise oft schnell wieder vom Markt, auch wenn so ein Abriss nicht gerade ein Schnäppchen ist. Ein als ungepflegtes Hühnergehege getarntes Restegrundstück zu ergattern, ist quasi der Sechser im Wohnungslotto!

Wer „es geschafft hat“, dem ist zumindest eines sicher – die Missgunst all derer, die eben kein Stück vom Kuchen auf dem heiß umkämpften Markt abbekommen haben. Und wehe, man kann statt schnöden Kuchen sogar ein ansehnliches Stück Torte sein Eigen nennen (natürlich im übertragenen Sinne). Schon gilt man als neues Feindbild, das hervorragend vom eigentlichen Problem ablenkt. In diesem Fall sind es die Senioren, die in viel zu großen Häusern und Wohnungen leben und doch eigentlich für Familien Platz machen sollten. So einfach kann man sich die Welt machen.

Aber so einfach ist es nun mal nicht. Mal abgesehen davon, dass dieser Wohnungsneid ganz schöne Gräben zwischen den Generationen aufwirft, hat auch niemand das Recht, anderen ihr Recht abzusprechen.

Erschwinglicher Wohnraum wird von Alten besetzt – wo soll denn bitte so eine Aussage hin führen?! Solche reißerischen Überschriften sind schon bedenklich. Wollen wir jetzt bald Menschen enteignen? Und wer entscheidet, ob sich jemand sein Häuschen verdient hat, wer wie viel Platz zugesprochen bekommt und wer bitteschön zu weichen hat. Denn es sind ja nicht nur die älteren Menschen, die vielleicht ein mittlerweile leeres Nest bewohnen. Von Megastar über Multimillionär bis Mafiaboss, es gibt genug Menschen, die verdammt viele Quadratmeter für verdammt wenig Mensch beanspruchen. Aber der ewige Generationenkonflikt Alt gegen Jung verkauft sich einfach besser.

Hier werden verschiedene Bevölkerungsgruppen fies gegeneinander ausgespielt, es geht um Wähler, Klicks und stupiden Populismus. Mal abgesehen davon ist das mit dem Verkleinern auch gar nicht so einfach, wie mancher sich das ausmalt. Im Gegenteil, mit all den Kosten, die Umzug, Ver- und eventuell Neukauf oder höhere Mietkosten, wenn die alte Wohnung noch unter dem aktuellen Durchschnittspreis liegt, mit sich bringen, muss man sich weniger Quadratmeter erst mal leisten können.

Ja, Familien brauchen Platz. Nur auf wessen Kosten wollen wir so eine Diskussion austragen? Wer macht denn die Vorgaben und Gesetze fürs Bauen und auch fürs Renovieren, Investieren und eben auch fürs Spekulieren? Da stehen in den Innenstädten prestigeträchtige Büroräume leer, weil Wohnungen nicht so rentabel sind.

Ganz nebenbei verändert sich auch die Gesellschaft und mit ihr die Anforderungen an Wohnraum. Denn es werden aber nicht nur größere Wohnungen und Häuser gebraucht. Es gibt auch immer mehr Einpersonenhaushalte. Kleine, feine Wohnungen sind aber gar nicht so leicht zu finden, wie soll eine allein lebende Person eine 120-Quadratmeter-Wohnung mit Leben füllen? Mal abgesehen davon, dass man sich so viel Platz auch erst mal leisten können muss.

Sehr spannend ist auch die Frage nach dem individuellen Platzbedarf. Was manch einer als kleines TinyHouse bezeichnet, ist für andere schon eine halbe Villa – zumindest empfinde ich es als kurios, dass unsere 85 qm Bleibe von vielen als klein bezeichnet wird. Auch die Bezeichnung Tiny House ist in dem Zusammenhang schon gefallen, ich hätte mich vor Lachen fast verschluckt! Mit ca. 40 Quadratmetern pro Nase sind wir für unsere Altersgruppe (man ist ja so alt, wie man sich fühlt!) ziemlich durchschnittlich. Vergleicht man das aber beispielsweise mit Städten wie Tokio, leben wir geradezu in einem Schloss. Dort liegt die durchschnittliche Quadratmeterzahl pro Kopf gerade mal bei der Hälfte.

Das klingt schon mehr nach Tiny House und diese Wohnform findet durchaus viele Anhänger. So ein schnuckeliges Nest können sich viele für sich vorstellen und ich finde die vielen unterschiedlichen Varianten wirklich spannend. Nur wohin mit dem Minihaus? Den so idyllisch das kleine Wohnen klingt, man will ja gerade mit so wenig Knautschzone um sich herum nicht gerade im engen Hinterhof stehen. Mehr Privatsphäre können da sogenannte TinyHouse-Parks wie Minitopia bieten.

Solche Konzepte sind einerseits ziemlich cool, andererseits lösen sie sicher nicht das innerstädtische Platzproblem. Da zeigt schon ein Spaziergang durch die Fußgängerzonen oft, dass hier für Normalsterbliche kein (Wohn-)Raum mehr ist. Die zentrale Lage ist geprägt von schicken Büroflächen und gähnendem Leerstand. In Zeiten, in denen der Onlinehandel großen Kaufhäusern die Daseinsberechtigung streitig macht, mehren sich die ungenutzten Flächen in bester Lage.

Da ließe sich sicher was Sinnvolles draus machen und wenn man sich die Mietpreise für Stadtwohnungen anschaut, könnte sich das auch wirtschaftlich lohnen. Auch alternative Konzepte wie ein Platz für Kunst und Kultur (z.B. in Fulda, München, Stuttgart) würden die Innenstädte wieder mehr beleben.

Andere Ideen, wie eine Flüchtlingsunterkunft in der benachbarten Kleinstadt stoßen erwartungsgemäß auf weniger Gegenliebe. Das würde ja das ganze Stadtbild zerstören und wer wüsste schon, was bzw. wen man sich damit einhandeln würde. Der Blumenstrauß an Vorurteilen ist riesig also schaut man lieber weiter auf einen Bretterzaun. Dass sich daran bald etwas ändert, ist unwahrscheinlich, Immobilien sind als Spekulationsobjekt und Anlageprodukt gefragt. Und Büroflächen ebenso wie Luxuslofts sind lukrativer als bezahlbarer Wohnraum – offenbar selbst dann, wenn sie leer stehen.

Egal ob Wohnung oder Haus, gemietet oder gekauft – wenn wir also ein Fleckchen Erde zum Glücklichsein gefunden haben, sollten uns hin und wieder mal vor Augen halten, wie gut es uns doch geht.

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