Queen All - Diverses

Lächeln und winken

Die Welt ist ein Dorf. Sagt man jedenfalls so. Zumindest besteht sie aber aus vielen Dörfern – unter anderem. In einem einzigen Dorf sprechen in der Regel ja alle dieselbe Sprache. Das trifft auf unser großes Dorf Welt nicht zu. Im Gegenteil, kaum etwas ist so divers wie unsere Sprache. Da muss ich lediglich ins benachbarte Dorf fahren, und schon lerne ich neue Wörter. Im Urlaub werde ich als eindeutig invasive Art beäugt, weil ich statt Semmeln ganz einfach Brötchen bestellt habe. Beim Bäcker kann einem so mancher Fehltritt passieren.

Berliner, Krapfen, Pfannkuchen, Kreppel – die Liste der Namen ist wahrscheinlich noch viel, viel länger. Wir sprechen nicht nur unterschiedliche Sprachen, sondern auch unterschiedliche Dialekte. Manche gehen mit der Zeit verloren, andere passen sich an, und wieder andere werden regelrecht zelebriert. Ich finde das schön und spannend, zumal ich zu Hause mit Hochdeutsch aufgewachsen bin und den heimischen Dialekt gerade mal einigermaßen verstehe (in seiner ganz milden Form) und schon gar nicht sprechen kann.

Mein Opa pflegte seinerzeit als Zugezogener über den ach so unattraktiven fränkischen Dialekt zu lästern und meinte, er würde schöne Frauen unattraktiv machen. Ob meine Oma das genauso gesehen hat, weiß ich nicht. Sie hat lange Zeit Erwachsene in Deutsch unterrichtet, da war eine korrekte Aussprache für sie obligatorisch. Ich bin also von Haus aus überhaupt nicht mit irgendwelchen Dialekten in Kontakt gekommen und habe so überhaupt kein Talent dafür entwickelt, diese zu verstehen oder gar lokal zuzuordnen.

Ganz dunkel kann ich mich noch an einen Kindergeburtstag erinnern, bei dem mir niemand glauben wollte, dass ich gebürtige Schwäbin bin. Dabei ist es doch gerade unter Kindern ganz egal, welche Sprache man spricht. Ebenso dunkel erinnere ich mich nämlich an einen Campingurlaub in Italien, in dem ich ganz wunderbar mit einem italienischen Mädchen gespielt habe, ohne dass wir auch nur ein Wort der jeweils anderen Sprache mächtig gewesen wären.

Aber es hat durchaus Vorteile, wenn der eigene Sprachduktus wenig bis gar nicht lokal eingefärbt ist. So konnte ich mich zeitweise quasi spionagemäßig ganz unauffällig unter meine badischen Klassenkameraden mischen. Dass es da eine regionale Rivalität gibt, habe ich als vorbildlicher Spätzünder erst Jahre später zufällig herausbekommen. Dabei hätte ich stutzig werden müssen, als mir die Fleischfachverkäuferin partout keine Saiten, sondern „nur“ Wienerle verkaufen wollte. Aber wie Kinder nun mal so sind, fand ich die sture Dame einfach nur saudoof.

Über Baden lacht die Sonne, über Schwaben die ganze Welt.

Mein fehlendes Talent, lokal eingefärbte Sprache zu dechiffrieren, kann aber auch manchmal richtig anstrengend sein. Im österreichischen Nachbarland fehlt mir nicht nur das Verständnis für die soßenfreien Knödel, sondern auch für den dortigen Dialekt. Nach drei fehlgeschlagenen Anläufen, meinem nicht weniger talentfreien Mann und mir den Weg zum Zimmer zu erklären, resignierte der Hotelangestellte einfach. Die Mitreisenden übersetzten dankenswerterweise das (die Treppe hoch und geradeaus), was für uns so verständlich wie Chinesisch klang.

Dabei muss ich nicht mal über die Ländergrenze reisen, um die Welt um mich herum nicht mehr zu verstehen. Da reicht manchmal schon ein Besuch bei der angeheirateten Verwandtschaft. Wenn da jemand von Füßen redet, meint er auch die Beine. Und eine Decke wird mal eben zum Teppich umgetauft. Das kann schon irritieren, wenn jemand vorschlägt, die Füße mit dem Teppich zuzudecken.

Ganz universell ist hingegen die Verständigung unter Tauchern. Die kommt zwangsläufig ohne Worte aus und besteht lediglich aus Handzeichen. Auch da kann es allerdings zu Missverständnissen kommen: Daumen hoch heißt nämlich nicht „alles ok“, sondern „auftauchen“. Bei einem eingespielten Buddy-Team wie uns läuft die Kommunikation dann auch an Land oft per Zeichensprache. Statt quer über den Parkplatz zu brüllen, stimmen wir uns einfach wild fuchtelnd ab.

Zum Glück hält sich die altersbedingte Kurzsichtigkeit (noch) in Grenzen. Und falls sich ein Fremder fälschlicherweise angesprochen fühlt, kann man einfach lächeln und winken – das geht immer. Wenn man für irre gehalten wird, lassen einen die Leute in Ruhe!

Lächeln und winken, Leute. Lächeln und winken…

4 thoughts on “Lächeln und winken

  1. Hallo Vanessa,
    du hast es wieder geschafft, mich zum Schmunzeln zu bringen. Ja, das mit den Teppich (sorry Deppich) ist für auswärtige irritierend. Schön ist auch wenn man sagt:“ Zieh dr grad dn Kiddl übr“ (Zieh dir noch die Jacke an)
    In diesem Sinne: Lächeln und Winken 👋
    Gruß, Sibylle

    1. Oh, mit „D“ also. Offenbar kann ich Schwäbisch noch weniger schreiben, als ich es sprechen kann. Der Kittel ist auch so eine irritierende Bezeichnung. Hab ich schon zu hören bekommen, ich kann mich nur nicht mehr an den Kontext erinnern.
      Dialekte sind halt was Feines, gell?!
      Grüße
      Vanessa

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