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Der Fluch mit dem Segen

Es gibt Erfindungen, die sind so nutzlos wie ein zweiter Bauchnabel. Andere wiederum retten Leben oder erleichtern dieses zumindest. Und dann gibt es auch diese eigentlich völlig unnötigen Nice-To-Have-Dinge wie beispielsweise die Softclose-Funktion an Schranktüren und Klodeckeln. Wobei die Funktion gar nicht so unnötig ist, bewahrt sie doch vor herzinfarktmäßigen Schreckmomenten, wenn besagte Schranktüren oder Klodeckel mit einem laut krachenden Knall schließen.

Als wir das erste Mal ein Bad renoviert haben, hat sich der beauftragte Handwerker geweigert, Baumarktware einzubauen. Ob das wirklich ein Qualitäts- und Garantiethema ist oder die einfach alle „gut zusammenarbeiten“, weiß ich nicht. Ich will ja nichts unterstellen, aber man macht sich schon so seine Gedanken. Für eine simple Kloschüssel zahlt man im Fachhandel mindestens das Dreifache, dabei kann die auch nicht mehr. Beim lautlos schließenden Klodeckel haben wir uns dann verweigert, solche Gimmicks brauchen wir nicht. Und man gewöhnt sich ja auch dran. Schon nach einer Woche im Hotel mit entsprechendem Toilettenluxus ist einem zu Hause der besagte Deckel schnell mal aus der Hand gerutscht. Also lieber gar nicht erst dran gewöhnen!

Doch die Zeiten ändern sich und wenn der Preis für den Porsche unter den Klodeckeln quasi mitinbegriffen ist, lässt man sich halt doch hinreißen. Den Standard-Klodeckel gibt es nun also mit Absenkautomatik. Mein Argument, dass man das doch nicht brauche, erntet bei Sanitär-Fachverkäufern nur verständnislose Blicke. Mein Mann und ich haben uns also brav gefügt und kamen daher mit unserem Umzug letztes Jahr auch in den Genuss der geräuschlosen Deckelabsenkung. Der Gewöhnungseffekt trat wie befürchtet schnell ein – zudem am Arbeitsplatz sowie vielerorts in Bars und anderen Lokalitäten der Klodeckel längst Einsparungsmaßnahmen zum Opfer gefallen ist.

Und wie befürchtet, ließ der laute Knall nicht lange auf sich warten – so viel zum „stillen Örtchen“. Bei der Schwiegermama ist noch so ein schweres und sehr massives Exemplar verbaut. Zum Glück herrscht am Esstisch üblicherweise kein gesittetes Schweigen. Im Trubel der munteren Diskussionen ist wohl nur uns selbst aufgefallen, dass dem anderen jeweils der Deckel aus der Hand geflutscht ist. Und nachdem wir beide mal wieder von der Schwerkraft eingenordet wurden, klappt das wieder ganz gut und wir können uns wieder zu den gesellschaftsfähigen Klogängern zählen.

Das ist auch gut so, denn ich bin dazu auch noch eine leidenschaftliche Klogängerin. Das liegt aber keinesfalls an einer schwachen Blase oder übermäßigem Kaffeekonsum. Im Gegenteil, oft suche ich die Toilette aus einem ganz anderen Grund auf. Da kommt der Forscherdrang in mir zum Vorschein und man kann fast ungehindert einen Blick hinter die Kulissen werfen. Besonders in Altstädten kann das enorm spannend sein. Es geht treppauf und treppab, durch verwinkelte Flure vorbei an Fenstern zum begrünten Innenhof. Bei einem Café war ich mich fast sicher, dass ich auf dem Weg zur Toilette durch mindestens drei weitere Häuser spazieren durfte.

Oft sind die Flure sogar ein wenig aufgehübscht und man findet liebevoll dekorierte Ecken oder auch mal historische Fotos an den Wänden. Die Treppen wiederum spiegeln das wahre Alter ungeschönt wider und man ahnt, wie viele Füße schon darübergestiegen sein müssen. Und ganz am Ende findet sich dann entweder eine sehr abenteuerliche Konstruktion aus alten Rohren und angeschlagener Kloschüssel oder – immer öfter – ein richtig schicker Thron, natürlich mit Softclose-Toilettendeckel! Ich bin immer noch jedes Mal überrascht, weil dieser Standard für mich immer noch etwas Besonderes ist, dass nur Stars und Millionäre in ihren Bädern haben – und wir sind beides nicht.

Ich bin generell eher geräuschempfindlich und würde auch nie auf die Idee kommen, mir Radio oder Fernseher als Hintergrundbeschallung anzuschalten, wenn ich allein bin. Schranktüren, Schubladen und Klodeckel schließe ich naturgemäß leise, schon aus purer Selbstliebe. Natürlich ist es fein fürs Nervenkostüm, wenn Absenkautomatik und Türdämpfung die natürliche Geräuschkulisse von Grobmotorikern abmildern. Alles schließt sanft und leise, ein Traum! Bis man selbst mal wieder zum schreckhaften Opfer eines traditionellen Schließmechanismus wird – ein Albtraum. Es ist schon ein Fluch mit dem Segen des Fortschritts…

10 thoughts on “Der Fluch mit dem Segen

  1. Gegen das (oder den?) Softclose beim WC spricht aus meiner Sicht die Spülung. Die soll man erst nach Schließen des Klos betätigen, damit Bakterien nicht im Badezimmer verteilt werden. Beim „sanften“ Schließen dauert mir dieser Vorgang zu lange. Für Schubladen allerdings finde ich die Funktion gut; endlich kann man(n) (ich) ie Schubfächer zuwerfen, ohne das es einen Knall mit anschließender Schimpftirade gibt 😉

      1. Toiletten ohne Deckel? Ist hier im Sauerland noch nicht gesichtet worden, jedenfalls nicht von mir 🙂 Wozu soll das gut sein? Du meinst jetzt aber nicht Urinale, oder?

  2. Habe in dieser Woche mit einer Freundin Duschklos getestet in vier Badaustellungen. Mal davon abgesehen, dass keins überzeugte in der Funktion und Geräuschen – zwischen 2000 und 5000 Euro – ist der leise schließende Klodeckel wirklich völlig überflüssig. Wir haben drei Klos. Mit stabilen Klobrillen und Deckeln, die wir mit eigenem Gefühl bedienen.

    Softe Grüße sendet dennoch gerne
    Ines

    1. Bei den Preisen kann man das Stille Örtchen wirklich als goldenen Thron bezeichnen. Ich wusste gar nicht, wie teuer so ein Duschklo ist 😮. Da kann der hilfsbereite Klodeckel nicht mithalten. Und man fragt sich schon, ob der Mensch in freier Natur irgendwann überhaupt nicht mehr überlebensfähig ist 😄
      Liebe Grüße
      Vanessa

  3. Ich habe gerade bei „Und nachdem wir beide mal wieder von der Schwerkraft eingenordet wurden“ musste ich laut lachen. 😀 Schön geschrieben, der Artikel. Danke!
    Ich habe früher mal in einem Haus mit einer Familie mit vielen Kindern gewohnt. Da hätte ich mir damals manchmal so ein Deckel gewünscht, aber sonst ist das schon eher Schnickschnack.
    Viel besser als das leise Senken des Deckels finde ich die Funktion, dass man den Deckel zum Putzen aus seiner Halterung klinken kann. (Ja, ging früher auch ohne das. 😉)
    Am Ende ist mir wichtig, dass das Örtchen sauber ist – mit oder ohne Gadgets.
    Übrigens so ein Klo mit Popodusche hatten sie in den 80ern auf der Entbindungsstation in dem Krankenhaus, in dem ich (als Kassenpatient) war. Naja, es hat wohl alles irgendwie seine Daseinsberechtigung, aber oh man selbst alles braucht, ist ne andere Sache.

  4. Liebe Vanessa,
    Da denke ich sofort an das Chinesische Restaurant auf der Durchreise am vergangenen Samstag.
    Das Restaurant macht einen nicht ganz so vertrauenswürdigen Eindruck.
    Doch schon beim Gang auf die Toilette war ich positiv überrascht.
    Und was soll ich sagen …auch das Essen war hervorragend.

    Es lohnt sich also ein Blick hinter die Kulissen.

    Ich wünsche dir eine schöne Vorweihnachtszeit
    Herzliche Grüße
    Jutta

  5. Hallo Vanessa,

    ich kann deine Erfahrungen in jeglicher Hinsicht so gut nachvollziehen und habe mich beim Lesen köstlich amüsiert! Vielen Dank dafür!

    Falls mit Kloduschen Bidets gemeint sein sollen: Das erste Mal bin ich diesen in Ägypten über den Weg gelaufen. Seitdem fühle ich mich mit wesentlich hygienischer. Da wir das aber auch nicht fest verbaut haben, haben wir so eine mobile Po-Dusche. (Die nehme ich mangels Platz nirgends mit hin, aber sie lässt sich auch gut diskret verstauen wenn Besuch da ist.)

    Lieber Gruß
    Philipp

  6. In unserer unlängst bezogenen schicken Neubauwohnung gibts natürlich auch den Softclose-Deckel, nämlich am Dusch-WC – Wir wunderten uns zuerst, Dusch-WC, was soll das, wer duscht denn auf dem Klo? Doch war es eine integrierte Intimdusche wie bei einem Bidet, welche per Fernsteuerung auf Knopfdruck aus der Klomuschel rausfährt und losspritzt. Meine Frau wills zum erstenmal ausprobieren, sie steht vor der Klomuschel und drückt auf die Fernbedienung, schon spitzt der Wasserstrahl meterweit in die Höhe – Frau kriegt Panik und will schnell den Deckel zumachen bevors im Klo eine Überschwemmung gibt, geht aber nicht weil Softclose, siehe oben. Und denkt nicht daran dass sie die WC-Dusche mit der Fernbedienung ja ebenso ausschalten kann. Wie sie mir davon erzählt, sag ich im Scherz: Na, du musst dich zur Intimdusche natürlich draufsetzen und nicht davor hinstellen – war sie draufhin bissel eingeschnappt 😉

  7. wenn man wie ich im #ferienobjekt im turbo putzen muss, dann ist so ein absenkautomatik-deckel eine echte nervensäge…… viel zu langsam.
    ansonsten: der BW hat die toiletten da selber eingebaut, inkl. wasser- und abwasseranschlüsse mit kernbohrungen durch´s sandsteinfundament. insofern konnte uns kein gieriger klemptner irgendwas aufschwatzen, sondern ich hab im baumarkt das praktischste und günstigste rausgesucht. nur bei besagten klobrillen habe ich ich mich von der farbe (1x türkis, 1x gelb) und dem material (bambus) verführen lassen ;-D
    xxx

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