Wer bin ich ohne meine Dinge?
Loslassen ist ja so ein Buzzword, alles soll gehen. Schlechte Gedanken und Gefühle sollen wir gehen lassen, ToDo-Listen um unwichtige Aufgaben reduzieren, überflüssige Gegenstände aus unserer Umgebung entfernen. Dabei erhoffen wir uns Erleichterung im wortwörtlichen wie auch im übertragenen Sinne.
Im Zuge des Aufrufs von Bloggerin Uli Pauer zu ihrer Blogparade „Wer bist du ohne deine Dinge“ habe auch ich mir mal so meine Gedanken gemacht, wie sich mein Verhältnis zu all den Sachen, die mich umgeben, in den letzten Jahren verändert hat.
(Un)ersetzlich?
Ja, manches ist unersetzlich. Der geliebte Kuschelpulli ist sehr wahrscheinlich in genau dieser Ausführung nach vielen intensiven Tragejahren nicht mehr im Laden erhältlich. Trotzdem ist es kein Weltuntergang, sollte das eine oder andere Teil irgendwann kaputt gehen. Natürlich ist es schade, würde die geerbte Vase von Tante Erna in tausend Stücke zerspringen. Und es ist auch völlig in Ordnung, wenn man sich darüber ärgert oder traurig ist. Doch am Ende sind das nur Dinge. Diese begleiten uns eine Weile auf unserem Lebensweg und an manches hängen wir unser Herz. Doch nichts ist auch nur annähern so wichtig wie die Menschen, die wir in unserem Leben haben.
Sollte ich aus irgendeinem Grund sämtliches Hab und Gut verlieren, ist das natürlich eine Katastrophe. Doch einzelne Dinge werden kommen und gehen. Das Leben hält immer wieder neue Herausforderungen für uns bereit und daher ändern sich auch unsere Anforderungen an unsere Sachen. Auch Geschmack und persönliche Bedürfnisse dürfen sich ändern. Letztendlich machen all diese Dinge aber nicht mich als Mensch aus. Wir sollten lernen, uns nicht über unsere Dinge zu definieren.
Der erste Eindruck
Bei all den hehren Worten darf man trotzdem Wert auf die Dinge legen, die man um sich scharrt. Auch wenn Funktionalität an erster Stelle stehen sollte, können die Sachen auch schön sein. Natürlich könnte ich mich mit einem x-beliebigen Pulli warm halten. Aber ich genieße den Luxus, dass ich mir Dinge aussuchen kann, in denen ich mich auch wohl fühle.
Auch nicht zu unterschätzen ist der erste Eindruck, den wir bei unserem Gegenüber hinterlassen. Wir haben nur wenige Sekunden, in denen sich andere ein Bild von uns machen. In manchen Situationen ist es also unerlässlich, dass ich entsprechend angemessen gekleidet bin. In Jogginghosen zum Bewerbungsgespräch oder zu einer Hochzeitseinladung zu erscheinen, wäre schlichtweg respektlos. Doch auch für die seltenen „wichtigen Anlässe“ brauche ich keinen riesigen begehbaren Kleiderschrank. Eine kleine aber feine Garderobe aus sinnvoll ausgewählten und kombinierbaren Teilen reicht völlig aus.
Und wenn ich Dinge in meiner Garderobe mal ersetzen muss, trauere auch ich manchen Teilen nach, freue mich aber andererseits über die Chance, Neues in mein Leben lassen zu können.
Dazu zählen im Übrigen auch Bücher. Diese kommen und gehen, begleiten mich für einige Zeit, hinterlassen manchmal bleibenden Eindruck. Doch den Besuch mit einer ganzen Wand voller anspruchsvoller Literatur beeindrucken, wie es noch bei unseren Großeltern üblich war? Nein danke! Das ist etwas, dass ich schon immer seltsam fand und Besuch, dem ich etwas vormachen müsste, ist hier eh nicht willkommen.
Übung macht den Meister
Im Laufe der Zeit wird es immer leichter, sich von Dingen zu trennen. Wer erst einmal mit dem Reduzieren auf das Wesentliche begonnen hat, wird immer etwas finden, dass er hinausbegleiten kann. Das Loslassen von Dingen ist wie ein Muskel, der mit regelmäßigem Training immer stärker wird. Und auch der Türsteher, der dafür sorgt, dass kein neuer Kram einzieht, bekommt immer breitere Schultern. Denn oft ist es viel anstrengender, Dinge loszuwerden (außer man wirft alles einfach in den Restmüll), als das sich Dinge wieder in den Alltag schleichen.
Irgendwann stellt man fest, dass an nichts mehr wirklich das Herz hängt. Freunde und die eigene Familie – und dazu zählen auch Haustiere und sowieso nur die Menschen, die wir uns als Familie aussuchen – sind das Einzige, das wirklich unersetzlich ist.